Georg Sutter erfährt regelmäßig im Alleinsein das Einswerden mit den eigenen Ressourcen. Das eröffnet zugleich neue Perspektiven und Wege.
Das jährliche Hüttenritual eröffnet immer wieder den Reichtum des All-Ein-Seins. Nicht Einsamkeit ist das vorherrschende Grundgefühl. Vielmehr sind es die im All-Ein-Sein sich eröffnenden gedanklichen und gefühlten Spielräume des Neuschaffens.
Niemanden sprechen, niemanden hören, niemanden sehen: Was dabei möglich wird, ist das zunehmend vorurteilsfreie Wahrnehmen und Beobachten meiner selbst, ohne Urteil und mit wachem Blick für das, was gerade da ist. Über die so erfassten „Fakten“ hinaus beginnt das Empfinden dessen, was sich hinter dem „Denker“ verbirgt.
Die ersten Begegnungen mit mir selbst verweisen zunächst auf innere Annahmen und Grundüberzeugungen, die im alltäglichen Wirken oft hinderlich oder sogar verhindernd sind. Es fällt nun leichter, mich diesen zu stellen, sie ebenfalls intensiv zu beobachten, geschehen und im zeitlosen Raum kommen und gehen zu lassen. Manches mag im bewussten Empfinden schmerzhaft sein; manches bleibt unverstanden, und manchmal gilt es, einfach nur das, was sich zeigt, im Sein zu lassen.
Wenn dann die ersten Stunden oder Tage des Loslassens von allem sonst Alltäglichen und wenn die Stimmen der vermeintlichen Erwartungen meines sozialen Umfeldes langsam zur Ruhe kommen, zeigt sich zunächst in meinen Gefühlen der Reichtum dessen, was sonst keinen Platz hat, nun aber in der Abgeschiedenheit umso bestimmter seine Spielwiese sucht. Wie beim ersten Frühlingserwachen führt mich die Lebendigkeit meiner Gefühlswelt in eine frische Präsenz, in der die Sinnhaftigkeit des Funktionierens im Alltag wie karger Winter grundlos erscheint.
Was dann möglich wird, ist ein Abtauchen in die Tiefe meiner Intentionen und in die Quellen meiner Ermächtigung. Auf dem Grund zeigen sich Gedanken, die deutlich über das hinausweisen, was das routinisierte Denken abverlangt.
In diesem Zustand der Verbindung mit den eigenen Quellen formen sich neue Fragen, die auf das Eigentliche abzielen. Es entfalten sich aber auch Lösungen zu Fragen, mit denen ich schwanger gegangen bin. Beides ist wie ein Spiel der Gedanken, ein Experimentieren und Verwerfen, ein Gewinnen und Verlieren von Gefühls- und Gedankensplittern. Die Tore zur Spielwiese sind offen.
Die (wieder) gefundene Beweglichkeit bereitet mir den Boden für Handlungsabsichten und Konkretisierungen des Neuen. Zunächst noch schemenhaft, dann aber immer konkreter entfalten sich Ansatzpunkte der Verankerung des Erahnten für die künftige Wirksamkeit.
Klar, die Einsichten aus dem Spielraum sind nicht die ganze Lebenswirklichkeit. Aber sie erweisen sich immer wieder als Anker und innere Ressource, wenn es wieder mal hektisch, unübersichtlich, überfordernd oder erschöpfend wird. Es ist die innere Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein und als letzte Instanz über sich selbst zu bestimmen, die dem Wert der Erfahrungen aus dem Spielraum Wirksamkeit verleiht.