Noch immer fragen sich viele Führungskräfte, wie sie die Potenziale ihrer MitarbeiterInnen am besten fördern und mobilisieren können. Um dabei einen Schritt weiter zu kommen müssen wir beim Bewusstsein ansetzen, mit dem die Menschen ihre Arbeit tun. Sich für seine Leistung verantwortlich fühlen, eigeninitiativ handeln und nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz einzubringen, ist eine Sache der persönlichen Haltung.
Erlebte „Arbeitswelten“
Viele MitarbeiterInnen rufen immer noch recht laut nach mehr Selbstverantwortung. Die Rahmenbedingungen werden einengend und starr empfunden, die Gestaltungsmöglichkeiten durch strikte Vorgaben eingeschränkt. Gar nicht selten hört man den Ausspruch: „Hier verlangt man von mir, das Gehirn beim Eingang abzugeben.“
Auf der anderen Seite erleben Führungskräfte die Rückdelegation von Verantwortung, der gegebene Spielraum wird von den MitarbeiterInnen nicht genützt. Es werden Führungsentscheidungen eingefordert, Verantwortungsübernahme wird abgelehnt.
Es stellen sich demnach folgende Fragen: Was sind die personellen Voraussetzungen, dass ein Mitarbeiter Selbstverantwortung übernimmt? Wie gelingt es Führungskräften, den dafür fördernden Rahmen zu gestalten?
Die Managementtrainerin Sabine Asgodom wird nicht müde in ihren launigen Vorträgen immer wieder zu betonen: „Rufen Sie sich immer wieder in Erinnerung: Sie alleine sind für Ihr Leben verantwortlich. Wer sich von vermeintlichen Fesseln lösen kann, wird frei – frei im Denken, frei im Handeln und frei für Neues.“
Mit diesem Aufruf befindet sie sich in guter Gesellschaft. Auch Reinhard Sprenger ruft in die Welt: „Nur Freiheit macht verantwortlich.“
Selbstführung
In selbstverantwortlicher Haltung bin ich mir bewusst, dass ich in jedem Moment und immer wieder Entscheidungen treffe – für oder gegen etwas, in einer Situation zu bleiben oder zu gehen, mitzumachen oder mich abzugrenzen. In letzter Konsequenz bedeutet das, jeder führt sich selbst in völliger Autonomie und übernimmt dabei auch die Verantwortung für seine Entscheidungen und sein Handeln.
Autonom zu entscheiden bedeutet dabei, dass ich in der Lage bin für mich selbst zu entscheiden. Es beinhaltet aber auch, dass ich manchmal Entscheidungen treffen werde, die mir nicht angenehm sind. Selbst wenn ich mich Zwängen beuge, habe ich mich selbst dazu entschieden. Eine dafür notwendige intrapersonelle Basis ist demnach eine gute Reflexionsfähigkeit sowie Selbstsicherheit und gesundes Selbstvertrauen.
Der dafür nötige Rahmen
Um Verantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu zeigen, braucht es aber auch einen klaren Orientierungsrahmen im Außen – neben der Selbstführung also auch Klarheit der Bedingungen. Bei der Führung selbstverantwortlicher MitarbeiterInnen sollten wir bedenken, dass wache und initiative Menschen den Ideen und Zielen der Organisation, und damit ihren Führungskräften, dann folgen werden, wenn sie dabei eine Befriedigung der eigenen zentralen Bedürfnisse erleben.
Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther weist darauf hin, dass die zentralsten Grundbedürfnisse bereits im Mutterleib ausgebildet werden: zum einen das Bedürfnis nach einer tiefen Verbundenheit und zum anderen jenes nach stetiger Weiterentwicklung hin zur Autonomie.
Aus Führungssicht sollten wir es also schaffen, dass unsere MitarbeiterInnen
- ein Aufgabenfeld haben, das ihnen einen Gestaltungsspielraum und einen Entwicklungsspielraum bietet,
- sich dabei mit anderen verbunden und anerkannt fühlen, und
- natürlich auch einen Sinn in dem sehen, was sie tun.
So manche Führungskraft wird sich nun vielleicht denken: „Ja, genau das erwarte auch ich mir von meinem eigenen Vorgesetzten.“ Die Realität sieht oft anders aus. Die gängigen Machtstrukturen und Kontrollbedürfnisse ersticken Eigeninitiative und Innovationsgeist und lassen oftmals auch Führungskräften wenig Spielraum bei der Ausübung ihrer Führungsaufgaben. Die Führungskräfte können ihren MitarbeiterInnen nur die Freiheit und den Gestaltungsspielraum geben, welche/n sie selbst besitzen. Mitunter wird Selbstverantwortung im Keim erstickt: Das Wollen wäre vorhanden, das Dürfen aber nicht.
Leadership zeigen
Führungskräfte, egal auf welcher Führungsebene, sollten sich also sehr bewusst den folgenden Fragen stellen:
>> Was traue ich meinen MitarbeiterInnen wirklich zu?
>> Bin ich bereit loszulassen?
>> Habe ich ausreichend ehrliches Vertrauen in die Fähigkeiten und das Verantwortungsbewusstsein meiner MitarbeiterInnen?
Denn nur, wenn sie Klarheit zu obigen Fragen haben, wird es gelingen, dass ihre MitarbeiterInnen Verantwortung auch annehmen und damit übernehmen. Nicht starre Regeln und Kontrolle, sondern Sinngebung und Vertrauen setzen Menschen in Bewegung.
Dabei ist es sehr wichtig, dass jemand, der sich in Bewegung setzt, den Rahmen genau kennt, der sein Spielfeld ausmacht und dass dieser Rahmen ihn auch nicht überfordert. Hier ist jede Führungskraft gefordert, Entwicklungsfelder zu öffnen, die Selbstverantwortung fördern und dennoch klare Orientierung geben. Wir sollten als Führungskraft also nicht vorrangig Problemlöser sein, sondern ausreichend Raum für Problemlösungen eröffnen und das nötige Vertrauen dafür schenken.
Einer der nächsten Stolpersteine aus Führungssicht ist nun, dass Führungskräfte oftmals eine sehr klare Vorstellung davon haben, wie die Dinge erledigt werden sollen. Wir messen den Weg und das Ergebnis der Aufgabenerfüllung an unseren eigenen Maßstäben und versuchen, diese auch unseren MitarbeiterInnen nahe zu legen. Schon Martin Buber hat angeregt, die „Wunder des Andersseins“ anzuerkennen und damit Selbstverantwortung und Autonomie zuzulassen.
Wollen wir selbstverantwortliche MitarbeiterInnen, so müssen wir mehr „lassen“ als „machen“. Die Verantwortung muss bei dem Menschen liegen, der auch die Sachkompetenz dafür hat – und das ist zumeist jene Person, die diese Aufgabe auch ausführt. Jede/r MitarbeiterIn sollte den Rahmen dazu haben, die Verantwortung für die eigene Leistung auch selbst zu tragen. „Merke dir die Ressourcen, die in dir und um dich sind; es gibt mehr davon, als du ahnst.“ (Ben Furman)
Loslassen, Zulassen, Vertrauen schenken – was kann ich als Führungskraft neben diesen zentralen Haltungen noch tun, um Selbstverantwortung den richtigen Rahmen zu geben?
Erfolgsgeheimnis Kommunikation
Ein zusätzliches Erfolgsgeheimnis liegt ganz sicher in intensiver, klarer und zukunftsorientierter Kommunikation! MitarbeiterInnen können selbstverantwortliche Entscheidungen nur dann treffen, wenn sie die dafür nötigen Informationen umfassend besitzen. Um wirkliche Entscheidungssicherheit zu haben, müssen, neben den relevanten Sachinformationen, auch die grundsätzlichen Bedingungen klar kommuniziert sein, als auch Transparenz über den Gesamtprozess bestehen.
Der/dem verantwortlichen MitarbeiterIn müssen ebenso die Ergebnisse und Auswirkungen ihrer/seiner Arbeit mitgeteilt werden, da diese ja die notwendige Reflexionsbasis für Erfahrungslernen bilden. Auch hier sind Führungskräfte in ihrer Kommunikationsfähigkeit gefordert, da die MitarbeiterInnen für ihre persönliche Weiterentwicklung differenziertes Feedback benötigen. Gelingt es, eine Kultur zu entwickeln, in der häufig durch konkrete leistungsbezogene Anerkennung Feedback gegeben wird, so werden diese Rückmeldungen ganz sicher als positive Verstärker das Selbstvertrauen der MitarbeiterInnen fördern und damit auch die künftige Entscheidungsfreude und Entscheidungssicherheit vermehren.
Manchmal ist ganz einfach offenes Zuhören und interessiertes aktives Nachfragen das hilfreichste und zielführendste Angebot für unsere MitarbeiterInnen.
Auf alle Fälle sollte Kommunikation dazu dienen, die MitarbeiterInnen in ihrer Selbstverantwortung zu stärken und sie dazu anregen, diese auch zu leben.