Ziele definieren, Abläufe reflektieren, Beziehungen stärken, persönliche Entwicklung fördern: Mitarbeiter*innengespräche sind ein wertvolles Tool. Was braucht es, damit sie auch weiterhin gelingen?
Das Mitarbeiter*innengespräch ist in den meisten Unternehmen seit vielen Jahren als wertvolles Führungsinstrument verankert: Eine gemeinsame Zielrichtung wird sichergestellt, die Beziehungsebene gestärkt und das Zusammenwirken im Arbeitsprozess reflektiert. Ein besonderer Fokus liegt zudem auf dem individuellen Entwicklungsprozess der Mitarbeitenden. Der Dialog findet in einer Linienorganisation zwischen der Führungskraft und den unterstellten Mitarbeiter*innen statt und funktioniert hier auch in vielen Fällen recht gut.
In der zunehmend agileren Arbeitswelt werden nun auch die Organisationsstrukturen immer mehr an die sich stark verändernden Anforderungen angepasst. Eine der populärsten und bereits am häufigsten eingesetzten Methoden für agiles Arbeiten ist Scrum.
Als agiles Framework setzt Scrum die Einhaltung agiler Werte wie Offenheit, Commitment, Fokus, Respekt und Mut voraus. Scrum definiert klare Rollen und damit verbundene Verantwortungen sowie konkrete Ereignisse, die den Rahmen für die Bewältigung komplexer Aufgabenstellungen abstecken.
Wir haben es hier nun mit weit- reichenden Veränderungen der Verantwortungsstrukturen zu tun. Auch wenn Team- oder Abteilungsleiter*innen oftmals die Rolle eines Scrum Masters* einnehmen, so bedarf es doch einer deutlichen Haltungsänderung, vor allem im Hinblick darauf, dass Führung nicht mehr „von oben“ passiert. Dies hat zur Folge, dass agile Organisationsformen nur dann funktionieren, wenn jedes einzelne Teammitglied mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung, Entscheidungsbereitschaft und Autonomie agiert.
Was bedeutet dies nun für Mitarbeiter*innengespräche? Braucht es diese noch oder sind sie in agilen Welten obsolet? Wie wird aus dem altbekannten MAG in der agilen Arbeitswelt ein MAGil? Suchen wir Antworten am Beispiel von Organisationen, die sich der Scrum-Methode annähern.
Vom MAG zum MAGil
In der Scrum-Welt liegt das Augenmerk auf selbstverantwortlicher Teamarbeit. Der Sprint als definiertes Zeitintervall ist oberstes Ordnungsprinzip. In diesem Rahmen arbeitet das Team an Aufgaben und an dem Erreichen des Sprintziels.
Wir haben es in diesem Sprintkreislauf mit einem klaren, ständig wiederkehrenden und damit aktuellen Zielprozess zu tun, der laufend in einem optimalen Gesprächsraum reflektiert wird. Auch die Zusammenarbeit im Team wird bei der Retrospektive am Ende eines jeden Sprints gemeinsam reflektiert. Hier geht es ausschließlich um die Qualität des gemeinsamen Arbeitsprozesses und die davon abzuleitenden Lernfelder. Ein weiterer Gesprächsraum für wesentliche Themen, die in Mitarbeiter*innengesprächen bearbeitet werden.
So viel zu den Arbeitsprozessen. Doch was ist mit der ganz persönlichen Stärkung, Förderung und Entwicklung der einzelnen Mitarbeiter*innen? Eine entscheidende Frage hinsichtlich agiler Strukturen, die hohe Ansprüche an jede*n Einzelne*n stellen, insbesondere in puncto Eigenverantwortung für die persönliche Selbstwirksamkeit. Es geht also um die Stärkung der Selbstführung. Und genau dafür braucht es das MAGil!
Feedback – aber richtig!
Ein zentrales Erfolgselement dafür ist ganz sicher eine respektvolle und offene Feedbackkultur. Ist diese in einem Unternehmen gut verankert, so ist jedes Teammitglied mit vielfältigen Rückmeldungen konfrontiert, sei es beispielsweise Peer-Feedback aus dem Kreis der Kolleg*innen, Feedback von Kund*innen oder direkte Rückmeldungen im Rahmen der Zusammenarbeit. Diese wertvollen Informationen über das eigene Verhalten müssen aber zielführend reflektiert und verarbeitet werden. Nur dann unterstützen Rückmeldungen und Anregungen die persönliche Entwicklung.
Hier kann das MAGil seinen besonderen Wert entwickeln: im wertschätzenden, unterstützenden Dialog mit dem jeweiligen Teammitglied über dessen selbstverantwortlichen Entwicklungsprozess. Das Gegenüber muss sich als Reflexionspartner*in und Entwicklungsbegleiter*in verstehen und als solche*r die optimale Potenzialentfaltung und das persönliche Wachstum der Mitarbeiter*innen als Ziel vor Augen haben.
Im MAGil wird gemeinsam ein fruchtbarer Boden geschaffen, in dem die gesammelten Erfahrungen und Rückmeldungen zu einer konstruktiven, selbstverantwortlichen Veränderungs- und Entwicklungsbereitschaft werden. Im Mittelpunkt stehen Lösungen, Stärken, Talente, Lernen und Begeisterung.
Auch die Frage, welche Beiträge das Unternehmen zum Entwicklungsprozess und zur Weiterbildung leisten könnte und sollte, wird im MAGil gemeinsam reflektiert.
Wer macht’s?
Da in agilen Strukturen Führung zumeist ein sozial geteilter Prozess ist oder die Selbststeuerung der Teams keine klare Führungszuordnung vorsieht, landen wir bei der Frage: Wer führt denn nun dieses MAGil?
Beziehen wir uns dabei wieder auf die Rollen einer Scrum-Organisation, so könnte der Scrum Master* diese*n Reflexionspartner*in darstellen, auf gleicher Augenhöhe, ohne dabei einen „Führungsanspruch“ zu übernehmen.
Da die übliche Rollenzuschreibung des Scrum Masters* dies nicht vorsieht, wird die persönliche Unterstützung und Förderung der einzelnen Teammitglieder oftmals dem/der People Manager*in zugeschrieben. Gibt es diese*n in der Organisation nicht, so übernimmt in der gängigen Praxis sehr oft der Scrum Master* in Personalunion auch die Funktionen des People Managers bzw. der People Managerin. Eine andere Möglichkeit ist den/die Mitarbeiter*in einer prozessexternen Führungskraft im Unternehmen zuzuordnen.
Letztendlich wird es notwendig sein, dass – so wie beim klassischen MAG – jedes Unternehmen seinen eigenen Rahmen für MAGils als Förder- und Entwicklungsinstrument kreiert und ein stimmiges Kommunikationsdesign entwickelt. Um in agilen Teams zum Gesamterfolg beitragen zu können ist es unerlässlich, dass jedem Teammitglied ein individueller Reflexionsraum eröffnet wird. Dafür kann das MAGil gut eingesetzt werden. Gelingt es hier die Fähigkeit zur Selbstführung und Selbstwirksamkeit zu stärken, dann erhöht das auch die Chance, dass jede*r Einzelne im Team mehr persönliche Sinnerfüllung in seinem Tätigkeitsfeld verspürt und Selbstwirksamkeit erlebt.