Evaluierung psychischer Belastungen schafft Impulse zur Unternehmensentwicklung
2014 bis 2015 wurde in der delfortgroup Holding mit Sitz in Traun (OÖ) und im Tochterunternehmen Dr. Franz Feurstein GmbH in Traun eine Evaluierung psychischer Belastungen durchgeführt. Diese verpflichtende Evaluierung im Rahmen des Arbeitnehmer/innenschutzgesetzes kann sich mit hohem Commitment des Topmanagements und einer breiten Zustimmung unter den Mitarbeiter/innen zu einem wertvollen Impuls zur Weiterentwicklung von Unternehmen und den darin arbeitenden Menschen gestalten.
Das österreichische Unternehmen delfort ist globaler Innovationsführer in Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Spezial- und Funktionspapieren. Das Familienunternehmen bietet innovative Produkte und maßgeschneiderte Lösungen für die Tabak-, Pharma-, Lebensmittel- und Etikettenindustrie.
Gesteuert wird die weltweite Papierproduktion von Traun aus. In der delfort AG sind ca. 60 Mitarbeiter/ innen beschäftigt, am Standort Traun in der Papierfabrik Feurstein, die zeitgleich diese Evaluierung durchführte, arbeiten aktuell 270 Mitarbeiter/innen, und weltweit beschäftigt delfort mehr als 2.300 Mitarbeiter/innen in Österreich, Ungarn, Tschechien, Finnland, Vietnam, USA und Mexiko.
Von Anbeginn an genoss das Evaluierungsprojekt einen hohen Stellenwert im Unternehmen – vom Top-Management bis zu den Mitarbeiter/innen gab es höchstes Commitment zum Prozess der Evaluierung. Es lebte von der intensiven und auch kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik in der Steuergruppe wie auch in den Workshops.
Die Steuergruppe bildeten, neben der Projektleiterin aus dem HR-Bereich, dem Betriebsarzt, der Sicherheitsfachkraft und zwei Führungskräften vor allem auch beide Vorstandsdirektoren (Martin Zahlbruckner, CEO und Roland Faihs, CFO & COO), die gemeinsam den Prozess maßgeblich mitgestalteten.
Der Evaluierungsprozess
In der Holding wurden in Summe drei Workshops durchgeführt, einer mit den Führungskräften und zwei mit Mitarbeiter/innen. Neben der Evaluierung der Belastungen wurden auch die vorhandenen Ressourcen und Gesundheitsfaktoren erhoben, um so den Blick auch auf das Gelingende zu lenken und sicherzustellen, dass diese Aspekte weiterhin im Auge behalten werden. In den Workshops wurde intensiv an hilfreichen Lösungsansätzen gearbeitet – die Mitarbeiter/innen und Führungskräfte diskutierten dabei äußerst engagiert und entwickelten sowohl rasche als auch nachhaltige Lösungsansätze. Die Rückspiegelung der Ergebnisse erfolgte in kontinuierlichen Feedback- Schleifen nach jedem Workshop an die Vorstandsdirektoren – die sich wiederum intensiv mit den jeweils gewonnenen Erkenntnissen auseinandersetzten.
Um die komplexen Themenfelder nochmals auf breiter Führungsebene „durchzurütteln“, wurde nach den Evaluierungsworkshops zusätzlich ein Management-Workshop durchgeführt. Dabei gingen die beiden Vorstandsdirektoren, gemeinsam mit den Heads of Corporate Functions (Controlling, Einkauf, Finanz, HR, IT), in einen sehr offenen Dialog über die Evaluierungsthemen und vereinbarten gemeinsam die nächsten Schritte und Maßnahmen. Nicht die einfachen, raschen Lösungen waren das oberste Ziel, sondern nachhaltige Veränderungen auch mit einer Organisationsentwicklungs-Perspektive.
Die zeitnahe und regelmäßige Rückspiegelung der Ergebnisse und der vereinbarten Maßnahmen an die Mitarbeiter/innen sicherten einen transparenten Informationsfluss und gelebte kommunikative Verbindlichkeit zueinander.
Die Vorstandsdirektoren im Gespräch
Bei delfort wurde dieser Evaluierungsprozess vom obersten Management bis zu den Führungskräften und Mitarbeiter/innen mit hohem Engagement durchgeführt und stellt für mich ein Best-Practice-Beispiel im Hinblick auf Commitment und Ernsthaftigkeit auch seitens des Top-Managements dar. Was hat Sie bewogen, diesen Prozess so zu gestalten?
Martin Zahlbruckner: Dies entspricht unserer dynamischen Unternehmenskultur eines sehr unmittelbaren und verantwortlichen Umgangs miteinander, in der wir das Gemeinsame stets voranstellen. Unsere Mitarbeiter/innen bestimmen und optimieren ihre Prozesse laufend eigenverantwortlich. Dazu gehört für uns auch ein Umfeld, in dem Arbeit auch Spaß macht, in dem Klarheit und Orientierung existieren und in dem sowohl Wohlfühlen als auch unternehmerischer Erfolg gelebt werden.
Roland Faihs: Wir wussten natürlich um die gesetzliche Anforderung der Evaluierung psychischer Belastungen – dennoch oder besser gerade aufgrund unserer Unternehmensphilosophie haben wir gemeinsam schnell entschieden, es kann für uns nur einen Weg geben: diesen Prozess als Chance zu nutzen.
Martin Zahlbruckner: Wir wollen ja auch kritische Meinungen, wir wollen keine Yes-People, sondern wir achten auf einen heterogenen Führungskreis, das versuchen wir sogar zu fördern. Wir wollen die Meinungen unserer Kolleg/innen hören und berücksichtigen. Gleichzeitig zeichnet uns unsere Teamfähigkeit aus. Wenn wir gemeinsam eine Entscheidung treffen, dann wird diese von allen mitgetragen.
Welche Faktoren waren aus Ihrer Sicht für den Erfolg des Prozesses verantwortlich?
Martin Zahlbruckner: Eine perfekte Vorbereitung, eine sehr gute Abstimmung mit der begleitenden Beraterin und das Eingehen auf die Stärken der Unternehmenskultur. Wir hatten sehr klare Ziele, sahen diesen Prozess wirklich als Chance und haben ihn konsequent gemeinsam umgesetzt.
Roland Faihs: Wie meistens ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, dass der Prozess von den Vorständen konsequent getragen und kommuniziert wird zu unseren Stärken gearbeitet haben. Das hat das Ganze massiv ins Positive gedreht. Der Ansatz war stets, „weaknesses“ zu eliminieren und vor allem Stärken zu stärken und vorhandene Ressourcen auszubauen – dieser Fokus war sicher erfolgsbestimmend.
Martin Zahlbruckner: Wir haben diese Evaluierung zu einem Verbesserungsprozess gedreht. Bedeutend war auch, dass wir mehrere Loops vollzogen haben, d.h. Feedbackloops, die kaskadenförmig auf alle Ebenen ausgerollt und dann wieder nach oben gespielt wurden. Hier haben wir kontinuierlich die Ergebnisse gemeinsam reflektiert.
Roland Faihs: Daraus hervorgegangen sind wichtige Maßnahmen wie z.B. unsere halbjährlichen Mitarbeiter/innen-Infoveranstaltungen, bei denen wir als Vorstände aktiv informieren und mit den Mitarbeiter/innen in Dialog treten. Wir haben diese Veranstaltungen „delfort insights“ genannt. Zunächst an den österreichischen Standorten, dann haben wir diese aber aufgrund des Erfolges und der positiven Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf alle Standorte, auch international, ausgedehnt.
Martin Zahlbruckner: Das kommt sehr gut an. Der Prozess hat uns ermutigt, noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit auf die Kommunikation mit unseren Mitarbeiter/innen zu legen.
Welche Tipps würden Sie aus heutiger Sicht Unternehmenslenker/innen im Hinblick auf diese verpflichtende Evaluierung psychischer Belastungen geben?
Roland Faihs: Einen kompetenten externen Berater hinzuziehen. Das ist ein Fall, wo man eine professionelle Begleitung benötigt, um die Dinge nach oben zu bringen. Und der Berater muss gut zum Unternehmen passen; damit meine ich: kompatibel zur Unternehmenskultur sein.
Martin Zahlbruckner: Die Beteiligung des Vorstandes sowie die konsequente Kommunikation über die Zwischenergebnisse und Maßnahmen. Nur so werden Mitarbeiter/innen auch in der Zukunft motiviert sein, sich an Lösungen und Verbesserungsprozessen zu beteiligen. Anderen Unternehmenslenker/innen würde ich als Tipp geben, diesen Prozess als Chance zur Unternehmensentwicklung zu sehen und zu nutzen. Es lässt sich daraus viel mehr machen als eine Pflichtübung.
Vielen Dank für das Gespräch.