Iris Mayr unterrichtet an der Kunstuni und ist fasziniert von innovativer Wissensvermittlung über Generationen hinweg.
Wie geht Wissensvermittlung im transgenerationalen Diskurs? Worin liegen die Chancen, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und wo die Potenziale für die Wirkenden? Wo findet man Erfahrungsberichte und Praxisbeispiele? Und wie verändern technische Entwicklungen, wie z. B. die KI, unser Lernen und Lehren? Eine Bestandsaufnahme und ein Erfahrungsbericht.
Meine Studierenden sind inzwischen zwei Generationen jünger als ich. Wir gehören gemeinsam zur Generation Corona. Jedes Jahr unterrichte ich eine neue Generation von Studierenden usw. Jede Generation ist anders und doch gibt es Gemeinsamkeiten und Verbindendes.
Doch: Was ist eine Generation eigentlich? Es geht also erst einmal um eine Begriffsdefinition. Wir können entweder von der biologischen Generation sprechen oder von gemeinsamen Ereignissen, die wir erlebt haben und mit denen wir einen Konsens verbinden, z.B. die wilden 60er oder die Generationen X, Y, Z, die zugleich bestimmte technologische Entwicklungen beschreiben. Unterschiede greifbar zu machen, kann Verständnis schaffen.
Generationen prägen auch das Setting. Wie ist der Ort beschaffen, an dem wir lernen und lehren? Unterstützt er uns? All dies ist noch völlig unberührt davon, welche Lern- und Lehrtypen wir sind. Und was ist mit dem Mindset und den inneren Räumen? Ein Schlagwort in der Management-Theorie sind derzeit die IDGs, die Inner Development Goals. Ich selbst gehöre einem Meetup an und bin oft überrascht, wie viel wir alle diesbezüglich aufzuholen haben, wenn es darum geht, uns selbst zu kennen und uns unseren (inneren) Raum zu geben.
Darum üben meine Student:innen in einem Praktikum, sich mehr mit sich selbst auseinanderzusetzen und Dinge bewusst zu machen. Ihr Projekt wählen sie frei. So hatte ich in fünf Jahren fünf Generationen an Projekten, die geprägt waren von den Umständen: Vor Corona war noch alles im Lot und wurde eine Unterrichtsstunde im Kepler Salon neu gestaltet, dann folgte „Fridays for Future“ und nach zwei von Corona geprägten Jahren kam der dringende Wunsch, wieder in der Realwelt aktiv zu werden, sich an der Uni mehr zu engagieren, dem Herzen zu folgen und mehr Aufmerksamkeit der Mediengestaltung zu geben.
Notwendige Grenzen
Wie vermittle ich Wissen? Natürlich auch ganz klassisch. Dazu lade ich ein, immer wieder innezuhalten und zu reflektieren. Es ist entscheidend, die zukünftigen Pädagoginnen und Pädagogen erforschen zu lassen, welches Setting motiviert, welches angenehm ist, welches neu ist usw. Dazu gehört es auch, neue Orte zu besuchen.
Es gibt so viele Plätze, die sich genau mit diesem Thema auseinandersetzen:
- Das Valie Export Center erforscht das Wirken von Valie Export, und sie könnte nicht mehr als eine Figur für eine Generation stehen.
- Das Ars Electronica Center, das seit 1996 mit der digitalen Schule experimentiert und mit dem ersten „Classroom of the Future“ schon damals Geschichte geschrieben hat.
- Der Kepler Salon bietet Wissensvermittlung mit Regeln, die auf einmal wieder Freiheit bieten.
- Im kommenden Semester kommt ein Pilotprojekt der Firma Netural gemeinsam mit dem Petrinum dazu. Dort entsteht gerade ein Manifest darüber, wie Schule mit KI umgehen möchte und kann.
Wir philosophieren und diskutieren aktuelle Entwicklungen und schaffen damit Platz, die Wissensvermittlung anders zu denken, anders zu strukturieren. Was mir persönlich sehr wichtig ist: Wir schaffen das in einem vorgegebenen Rahmen. Denn ja, die Lehre bräuchte viele Veränderungen, aber wir arbeiten mit und innerhalb dieser Grenzen und können dennoch sehr viel bewegen.
Ja, ich provoziere, und mein Unterrichtsstil ist für manche eine Herausforderung – weil er nicht strukturiert erscheint. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Er ist sehr strukturiert, sonst wäre dieser Freiraum nicht möglich, der notwendig ist, um mich auf die nächste Generation einlassen, ihr zuhören, sie inspirieren und neugierig machen zu können. Und um zu vermitteln, dass Lehre und Lernen viel Innovation und Experimente brauchen, sowie Lehrende, die sich auf die nächsten Generationen einlassen.
Was für Generationen zählt
Ziel ist es, in Resonanz mit der Umwelt zu gehen und Erfahrungswissen im aktiven Umgang zu gewinnen. Denn jedes Jahr gibt es andere Bedürfnisse und Erkenntnisse – trotz gleichem Inhalt. Und nein, ich muss nicht alles verstehen können, aber ich kann akzeptieren, dass etwas für bestimmte Generationen wichtig ist.
Die Studierenden wenden ihren bereits gelernten Werkzeugkoffer an, gestalten und machen etwas, das für sie Sinn macht: Damit kann Freude entstehen. Es ist ein Geschenk zu beobachten, wenn sie zu Gestalter:innen werden und diese Freude am Tun entdecken. Als Lehrende ist es unsere Aufgabe, diesen Prozess zu ermöglichen.
Nach Kommunikations-, Handelswissenschafts- und Spanischstudium in Linz, Salzburg und Sevilla gestaltete Iris Mayr von 1996 bis 2007 die Ars Electronica mit und kuratierte u.a. „Media City Seoul“. Als Mesh Workerin verbindet sie heute Menschen, Themen und Orte, z.B. als Programmgestalterin des Kepler Salon, am Hauptplatz 23 und an der Kunstuni Linz im Lehramtsstudiengang Mediengestaltung.