Veränderung im Wesentlichen, Paradigmenwechsel, die neue Welt, Agilisierung, Transformation. Es tut sich was! MitarbeiterInnen in allen Bereichen, Schlüsselkräfte, ExpertInnen, untere und mittlere Führungsebenen sind gefordert, sich weiterzuentwickeln, sich falls nötig neu zu verorten. Wie sieht es jedoch mit den Anforderungen an das Top-Management aus?
In den letzten Ausgaben des INOVATORS haben wir die Dynamisierung des Umfelds mit den bekannten Phänomenen der Beschleunigung und Steigerung der Komplexität mehrfach und aus verschiedensten Blickwinkeln thematisiert. Wir haben uns die Frage gestellt, welche Auswirkungen und Erfordernisse dies für die Organisation als Ganzes, ihre Strukturen und Prozesse und ihre Kultur hat und welche Rolle HR im Zuge der Agilisierung von Organisationen wahrnehmen kann und soll.
Richten wir nun unser Augenmerk auf die Top-ManagerInnen. Gerade sie sind durch all diese Entwicklungen besonders gefordert. Als BeraterInnen und Coaches erleben wir das beinahe täglich. Und stellen recht unterschiedliche Weisen fest, wie die EigentümerInnen, Vorstände, GeschäftsführerInnen und andere Top-Führungskräfte damit zurechtkommen.
Leadership neu denken?
Manche – gerade in erfolgreichen innovativen Unternehmen – stürzen sich voller Begeisterung und Engagement auf die neuen Herausforderungen. Sie definieren Führen bzw. Leadership neu und entwickeln ihre Modelle, Herangehensweisen und Methoden weiter. Der Paradigmenwechsel macht auch vor dem professionellen Selbstverständnis als Top-ManagerIn nicht halt. Dabei machen sie wertvolle Erfahrungen, stoßen an manche Grenze, bleiben dran, wachsen, verändern weiter oder kehren zum alten Handeln zurück. Um dann vielleicht in weiterer Folge einen neuerlichen Anlauf zu starten.
Andere können bzw. wollen nicht wahrhaben, dass neue Herausforderungen auch ein neues Führen und andere Prinzipien im Management benötigen. Alles nur Panikmache, nur mit der Ruhe, es wird schon nicht so heiß gegessen wie von manchen gekocht, bisher hat es auch stets funktioniert, also einfach mal weiter wie bisher. Sie finden sich in dieser Haltung durchaus oft bestätigt – man beweist sich ja gerne, dass man „Recht hat“. Jeder kleine Erfolg, jedes gelungene Projekt, jedes positive Feedback stärkt die eigene Überzeugung. Also wozu sich in unbedachten, unpassenden Aktionismus treiben lassen?
Vielleicht stößt der eine oder die andere dabei an eine Grenze und sieht sich mit unauflösbaren Widersprüchen und uneinlösbaren Anforderungen konfrontiert. Jene mit den stärksten Beharrungstendenzen setzen noch einen drauf: Je schärfer der Wind ihnen entgegenbläst, umso konsequenter bleiben sie bei ihrem gewohnten Kurs.
Dazwischen …
So weit zu den beiden Extremen. Die meisten Top-ManagerInnen werden wohl irgendwo dazwischen liegen, so lautet unsere Hypothese. Sie merken, dass das Alte nicht mehr ganz passt, sind jedoch auch nicht überzeugt, dass schon etwas anderes, eventuell gänzlich Neues angesagt ist. Oder sie haben noch nicht die „richtigen“ neuen Herangehensweisen gefunden. Sie befinden sich damit irgendwo auf dem Weg zwischen alter Welt und neuer Welt, in einem meist längeren Prozess der Veränderung und Neuorientierung. Mit vielerlei Wegkreuzungen und Abzweigungen, mit etlichen Möglichkeiten, sich weiter auf vertrautem Terrain zu bewegen oder sich neu zu erfinden.
Dazu erleben Top-Führungskräfte eine ganze Menge an mehrdeutigen Signalen aus ihrem Umfeld, was die eigene Ambivalenz noch verstärkt. Der Markt, respektive die Kunden und ihre Fürsprecher verlangen rasche individuelle Lösungen. Das kann nur aus einer Wendigkeit der Organisation heraus gelingen. Die Devise lautet dann: Agilisierung, Stärkung der innovativen Kräfte, Abschied von behäbigen Entscheidungsstrukturen, Aufmachen von Experimentierfeldern, in einer Kultur des Vertrauens.
Auf der anderen Seite die Investoren, die Geldgeber und Eigentümer. Spätestens seit der letzten großen Krise wurden die Kontrollmechanismen noch mal deutlich nachgeschärft. Viele GeschäftsführerInnen wissen ein Lied davon zu singen: Reporting, Reporting, Reporting. Kennzahlen, Quartals- und Monatsberichte, Rechenschaft ablegen, Erklärungen vorweisen. Und – was sich noch viel kniffliger gestaltet: einigermaßen valide Vorhersagen treffen, wie sich die wesentlichen Parameter weiter entwickeln werden. Das in einem Umfeld, das sich immer volatiler und unberechenbarer gestaltet.
Dazu gesellen sich altbekannte Anforderungen an Führungskräfte, etwa das Managen unterschiedlicher Interessen und Ziele. Wie gelingt es z.B., die Bedarfe des Unternehmens mit den Bedürfnissen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen bzw. einen solchen Ausgleich zu finden, dass alle wesentlichen Kräfte und Interessen sich gut wiederfinden?
Wie erleben nun verschiedene Top-ManagerInnen diese Herausforderungen und Spannungsfelder? Wie gehen sie damit um? Worauf achten sie, was ist ihnen wichtig, nach welchen Kriterien versuchen sie zu steuern? Was bewährt sich, welche Haltungen, welche Strukturelemente, welche Tools? Etabliert sich unter den veränderten Rahmenbedingungen tatsächlich ein neues Modell von Leadership?
Allesamt Fragen, die uns stark beschäftigen, weshalb wir in den letzten Monaten genau dazu mit einigen Top-ManagerInnen intensive Gespräche geführt haben. Auszüge aus diesen Gesprächen und damit Antworten auf diese essenziellen Fragen finden Sie in den nachfolgenden Beiträgen!