Ein Unternehmen auf der Suche nach Sinn, Verbundenheit und Wirksamkeit
Seit nunmehr drei Jahren befindet sich die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-Kanzlei EOS Partner in einem Identitäts- und Kulturprozess. Im Gespräch mit Maria Ertl erzählt Friedrich Pichler über diesen Weg, der kontinuierlich beschritten wird.
ME: Herr Dr. Pichler, was hat Sie bewogen, sich mit Ihrem Unternehmen auf den Weg zu einer neuen Identität zu machen?
FP: Der unmittelbare Anlass war das Bestreben, dem Unternehmen einen neuen Namen zu geben, der auch etwas über das Unternehmen aussagt. Es sollte ein Name sein, der etwas mit Aufbruchstimmung zu tun hat, mit Neugier, mit der Lust, etwas zu entdecken. Mit dem Anfängergeist unvoreingenommen auf die Dinge zu schauen und der Bereitschaft auch etwas loszulassen, Neues auszuprobieren. Das ist die Grundstimmung, die wir mit EOS, der griechischen Göttin der Morgenröte, ausdrücken wollen. Diese Namensfindung war dann der Start unseres umfassenden Kultur- und Strategieprozesses. Mit dem Namensteil „Partner“ weisen wir außerdem darauf hin, dass uns Verbundenheit und Verlässlichkeit wichtig sind. Nach der Runderneuerung des Außenauftritts gingen wir also daran, den neuen Namen auch intern mit Kraft und Energie aufzufüllen und zum Leuchten zu bringen.
ME: Der nächste Schritt war somit die Stärkung des gemeinsamen Selbstverständnisses, bei dem nun alle Mitarbeiter*innen eingebunden waren. Welche Themen waren Ihnen bei dieser Auseinandersetzung besonders wichtig?
FP: Für mich war es immer wichtig, Kräfte zu entfesseln, die vorhanden sind, und Blockaden zu beseitigen, sodass der Energiefluss frei fließen kann. Man muss Freiräume schaffen und zulassen, aber dennoch auch auf den Rahmen schauen. Dabei geht es um die Fragen: Wie arbeiten wir? Was strahlen wir aus? So ist bei der Entwicklung unserer Werte auch der Wert Strahlkraft entstanden.
Unsere Freude und unser Ehrgeiz bei EOS Partner besteht darin, möglichst viele Mitarbeitende zu entdecken, die sich für Führungsaufgaben eignen, und sie zu ermutigen, diese Aufgaben auch zu übernehmen.
ME: Ihre im Kulturprozess verinnerlichte Mission „Miteinander in ein mutiges Morgen“ mit Ihren drei Werten Einsatzfreude, Offenheit und Strahlkraft hat sich inzwischen als wertvoller Kompass auf diesem Weg erwiesen. Nun ist EOS Partner auf dem Weg zu einer sich selbst führenden Organisation.
FP: Ja, jede*r bei uns im Unternehmen sollte zu einem gewissen Teil auch Führungsaufgaben übernehmen. Das beginnt dabei, sich selbst zu führen und zusätzlich einen Beitrag zur Führung des Ganzen zu leisten – und sei dieser Beitrag auch noch so klein oder auch nur vorübergehend. Wir haben begonnen, Rollen bezüglich Gruppen unterstützender Aufgaben zu definieren, die je nach Fähigkeiten und Motivation von Mitarbeitenden übernommen werden können. Somit werden eine Reihe von Führungsaufgaben auf viele Schultern verteilt und die bisher umfassende Führungsrolle mutiert weitgehend zu einer Coachingrolle. Dadurch entsteht ein flüssiges System verteilter Autorität im Sinne von „WIR führen EOS Partner“.
ME: Eine wirklich beeindruckende Vision für Ihr Ziel, dass jede*r einzelne Mitarbeitende seine/ihre persönliche Strahlkraft entfachen und im Sinne des Unternehmens zur Wirkung bringen kann. Das bedarf intensiver Arbeit mit allen Beteiligten auf der Haltungsebene. Was waren für Sie bisher die zentralen Erfolgskriterien in diesem Prozess?
FP: Das Wichtigste ist Authentizität. Man kann das Unternehmen nicht in ein vorgefertigtes Konzept oder Wertesystem pressen, auch wenn es schön klingt. Man muss auf dem aufbauen, was da ist. Und die Eigentümer*innen müssen dahinterstehen. Am Beginn muss es einen Grundkonsens in der Führung geben.
Sehr geholfen hat uns eine externe Begleitung bei allem, was über die eigenen Kernkompetenzen hinausgeht, als Spiegel, für Anstöße und um dem ganzen Prozess eine gute Struktur zu geben. Wir haben auf der Homepage den Spruch: „Suche dir einen Gefährten, dann erst begib dich auf die Reise.“ Es ist wertvoll, wenn jemand Fragen stellt, so wie Sie das bei uns gemacht haben, die einem helfen, im Prozess Klarheit zu finden.
Weiters ist es wichtig die Mitarbeiter*innen am Prozess zu beteiligen, das Wertesystem soll ja nicht nur ein schönes Bild der Eigentümer*innen sein. Denn entscheidend ist, dass auch die Mitarbeitenden sagen: „Ja, so sind wir.“
ME: Auf Ihrem Weg zu einer „Leistungsfähigen Organisation mit Sinn für den Menschen“ wurden Sie auch durch das Buch Reinventing Organizations von Frederic Laloux inspiriert. Hier sind ja die Ausrichtung auf den Sinn und die Selbstwirksamkeit jedes bzw. jeder einzelnen Mitarbeitenden ganz zentrale Elemente. Welche Implementierungsschritte erscheinen Ihnen denn diesbezüglich besonders wertvoll?
FP: Der konsequente Abbau von Machthierarchien ist die Basis. Es sollen nicht ein paar Kapitäne auf der Brücke sitzen und überlegen, wo die Reise hingeht. Nach Möglichkeit sollen alle hinspüren, wohin das Unternehmen gerufen ist und welche Veränderungen es braucht, um uns gut anzupassen. In diesem Sinne werden die „Führungsrollen“ bezüglich der Übernahme gewisser Aufgaben, wie z.B. die Koordination der Verteilung der Aufträge, auch von Arbeitsgruppen definiert, weitgehend ohne Einbindung der Geschäftsführung. Es geht ja darum, sich selbst als wirksam zu erfahren, und das gelingt dann, wenn ich Entscheidungen treffen darf. Die Entscheidungsfindung erfolgt dann nicht hierarchisch, sondern in einem Beratungsprozess mit anschließender Verantwortungsübernahme.
Sehr wichtig ist auch, Reflexionsräume zu schaffen. So werden bei uns die klassischen Mitarbeitergespräche nun zu Spiegelgesprächen in Kleingruppen.
Und nicht zuletzt muss jede*r Mitarbeitende – um wirkliche Strahlkraft zu entwickeln – möglichst gut in der Mitte sein, anstatt gehetzt und gestresst. Um die persönliche innere Balance zu unterstützen, bieten wir Yoga an, sowie auch regelmäßige Achtsamkeitstage.
Wir sind auf einer gemeinsamen Abenteuerreise. Dabei wollen wir die Zukunft nicht erzwingen, sondern tanzen mit dem, was sich manifestieren will!