MICHAEL AUINGER und WERNER ARRICH wollen die Gegenwart mit dem Blick aus der Zukunft, wissenschaftlich fundierten Modellen und unternehmerischer Bodenhaftung gestalten.
In der Kooperation von INOVATO und NOVA ZONE haben wir uns, unter dem gemeinsamen Label ANT, folgende Frage gestellt: Was muss vorab passiert sein, damit Innovationen erfolgreich implementiert werden und so zum langfristigen Unternehmenserfolg und damit auch zur Handlungsfähigkeit und Standortentwicklung beitragen?
Kennen Sie das? Es gibt innovative Produktideen, in die viel Zeit und Ressourcen investiert werden, aber die Ergebnisse spiegeln sich zu wenig in der Wirtschaftsbilanz wider. Innovationsvorhaben bleiben stecken, bevor sie richtig beginnen können. Das ist bitter, denn Innovation ist der wesentliche Wettbewerbsfaktor für einen attraktiven Wirtschaftsstandort.
Design Sprints und Co. liefern dafür zwar teilweise gute Ideen und erste Prototypen – die dann aber allzu oft auf ein Organisationsökosystem treffen, das deren Wachstum nicht ausreichend ermöglicht und fördert. Das kann auch gar nicht anders sein, denn Design Sprints wurden von Unternehmen entwickelt, die ihre innovationsfördernden Organisationsstrukturen bereits etabliert haben.
Setzt man diese Methoden nun im Kontext des eigenen Unternehmens ein, macht man die Rechnung ohne den Wirt.
Die Antwort auf unsere Frage, was stattdessen passieren muss? Unternehmen, denen die Umsetzung gelingt, managen den Konflikt zwischen der Optimierung bestehender und der Entwicklung künftiger Geschäftsfelder erfolgreich („Ambidexterity”).
Um diese Ambidexterity zu erreichen, braucht es Wege und Handlungsleitlinien. Unser Fundament dafür ist die Actor-Network Theory.
Die Actor-Network Theory
Die Actor-Network Theory (ANT) nach Bruno Latour sieht Innovation als dynamisches Netzwerk von diversen Akteur:innen, wie Menschen, Technologien/Dingen, Konzepten, etc. Diese Akteur:innen definieren und legitimieren ihre Rollen im Netzwerk zueinander durch kontinuierliche Aushandlungsprozesse der jeweiligen Schlüsselstakeholder. Akteurs-Netzwerke mobilisieren durch eine kohärente Gesamterzählung die erforderlichen Anspruchsgruppen und sorgen so für die Diffusion der Innovation in die eigene Organisation und Märkte. Wirksame Innovation erfordert daher immer auch die erfolgreiche Transformation der Akteurs-Netzwerke.
Fruchtbarer Boden
Innovative Unternehmen mit starken Bilanzen implementieren Innovationen – je nach Stakeholderstruktur und branchenspezifschen Charakteristika – über folgende Organizational Designs, die drei Organisations-Ökosystemen gleichen, die einen fruchtbaren Boden bilden:
Inhouse Development: Der Umsatz- und Ergebnisanteil von Innovationen im Unternehmen steigt. Dazu wurden entsprechende Ressourcen von bestehenden Geschäftsfeldern umgeleitet und neu balanciert. Das erfordert die umfassende Moderation und Aushandlung aufkommender Ressourcenkonflikte und Veränderungen in der Organisation.
2nd Operating System: Entwicklung einer selbstständigen Unternehmensorganisation bei gleicher Eigentümerstruktur, um neue Geschäftsmodelle marktwirksam zu realisieren und bestehende zu optimieren. Auch hier kommt eine beträchtliche Transformationsdynamik in Gange – strukturell, personell und letztlich auch kulturell, um ein entsprechendes Ökosystem zu bieten, in dem neue Geschäftsfelder Raum für Wachstum haben.
Joint Venture/Spin-Off: Strukturell eigenständige Umsetzung der Innovation durch eine Joint Venture mit hoher Marktgeschwindigkeit. Ein Schlüsselfaktor ist hier die Nutzung der unternehmerischen Energie der Joint Venture Partner, da das Business Development im Vordergrund steht. Je nach Verstrickung der Partnerunternehmer ist das Change-Ausmaß dabei größer oder kleiner.
Innovation als Netzwerkeffekt
Der/die eine Erfinder:in existiert nicht. Aber woher kommen dann all die genialen Ideen? Innovation ist ein Netzwerkeffekt vieler heterogener Akteur:innen mit unterschiedlichen Interessen, die Umsetzungsallianzen bilden. Innovationen wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten, erfordert daher das Erkennen, Materialisieren und Verhandeln der gegenseitigen Auswirkungen und Verstrickungen von technologischen Lösungen, betroffenen Akteur:innen (inkl. deren Eigeninteressen) und strategischen Intentionen – denn „Technologie ist Soziales haltbar gemacht” (Bruno Latour).
Grafik 1 (Roland S. Burt, 2001: The Social Capital of Structural Holes)
Neue Ideen entstehen 1. dabei nur, wenn sogenannte „Knowlegde Broker” (= Robert, siehe Grafik 1) Netzwerkcluster miteinander verbinden, die vorher keine starken Verbindungen zueinander hatten. Und 2. dann, wenn diese Knowlegde Broker auf gut vernetzte Promotoren des „Neuen” in den Clustern treffen (= James, siehe Grafik 1).
Es braucht daher neben der technologischen Innovation immer auch eine parallel aufzubauende Umsetzungsallianz mit den wesentlichen Stakeholdern der Organisation, die von der Innovation betroffen sind bzw. sein werden.
Um deren Interessen gemeinsam überblicken und aushandeln zu können, unterstützen wir von drei „Plateaus” aus die Übersetzung von Innovationen in den konkreten Unternehmenskontext (dieser Prozess heißt in der Actor-Network Theory „Translation“):
Über jedes Plateau ist der Einstieg in ein anderes möglich. Aber erst, wenn die Kernherausforderungen aller drei Plateaus zueinander in Resonanz kommen, entsteht Wirkung:
Plateau „Technology“: Sie suchen wirtschaftlich wirkungsvolle Anwendungsfelder für neue Technologien?
Plateau „Vision & Business Modell“: Sie suchen neue Geschäftsmodelle bzw. fragen sich, wie Sie die wirtschaftliche Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit Ihres Unternehmens auch langfristig sicherstellen können?
Plateau „Human Transformation“: Sie betreiben Innovationsprojekte und Prozesse mit viel Engagement, aber es ist sehr herausfordernd, Mitarbeiter:innen und Schlüsselpartner:innen dafür nachhaltig zu mobilisieren?
Das ANT-Prozessmodell
Unser ANT-PROZESSMODELL integriert die Herausforderung Innovation in eine moderierte Gesamtarchitektur, die verschiedene Ein- und Austrittspunkte ermöglicht. Dabei können der ganze Prozess oder nur Teile davon durchlaufen werden. Um dafür eine professionelle Unterstützung zu ermöglichen, haben sich INOVATO und NOVA ZONE zur Arbeitsgemeinschaft ANT zusammengeschlossen:
NOVA ZONE bietet den Raum und Netzwerkknoten für Unternehmen und Expert:innen aus Innovationsmanagement, Technologie und Philosophie und ist damit ein Nährboden, der soziales Kapital stiftet (die „Roberts”), um Innovationspotenziale tatsächlich zu realisieren. Als Teil der Tabakfabrik und eines Unternehmensnetzwerks ist sie selbst Beispiel für die drei Realisierungswege.
INOVATO begleitet seit 30 Jahren als Expertin für Transformationsprozesse Menschen und Unternehmen bei existenziellen Entwicklungen hin zur Zukunftsfähigkeit. Unsere Consultants unterstützen und fördern dabei die Aushandlungs- und Ausrichtungsprozesse zur Bildung starker Umsetzungsallianzen für Ihre Innovationsvorhaben.
In Anbetracht der ökonomischen Entwicklungen in Zentraleuropa wird das Hinterfragen bestehender Geschäftsmodelle und Paradigmen ein essentieller Faktor für die künftige Prosperität unserer Gesellschaften. Und Innovationen müssen dieser Prosperität dienen.
Das schaffen wir aber nur mit einem Denken Out-of-the-box – doch dazu muss man die „Box“ Unternehmen erst einmal öffnen, ungewohnte Verknüpfungen herstellen und entsprechende Wege zur Umsetzung neu konfigurieren.
Das erfordert, alte Tabus und Denkverbote auf den Tisch zu legen. Und so geht es im Kern auch um die Transformation der Standortkultur.
WERNER ARRICH – Co-Autor dieses Beitrags – ist Serial Entrepreneur, Co-Founder von GRAND GARAGE und CODERS.BAY sowie Founder/CEO der NOVA ZONE und hat seit 2017 in der Tabakfabrik Linz einen der europaweit größten Innovationshubs aufgebaut. Sein Softwareunternehmen brachte er 2001 an die Börse Frankfurt.