Eigenverantwortlichkeit und sich selbst wirksam erleben sind ein lebenslanger Prozess, der immer wieder neu über- und durchdacht werden muss. Es ist ein Veränderungsprozess, der uns aus der Komfortzone holt, mit Stress besser umgehen lässt und uns dadurch resilienter macht. Beleuchten wir diese Lebensreise, die bereits in unserer frühesten Kindheit beginnt.
Wurden wir als Kinder wertschätzend behandelt – von unseren Eltern und den „wichtigen Anderen“, wie Freund*innen, Lehrer*innen, Trainer*innen, Nachbar*innen, Verwandten? Wurden wir gefordert und gefördert? Konnten wir auch Leichtigkeit spüren und leben, verrückte Dinge tun? Oder war es hauptsächlich schwierig, karg, eher einsam, mit Ab- und Bewertungen gepflastert? Waren wir auf uns selbst gestellt?
Unser „Gewordensein“ stellt schon sehr früh die Weichen in Richtung selbstwirksames Erleben und Widerstandsfähigkeit. Manch eine erlebt sich daher sehr sicher und gut, fest in Überzeugungen und Handlungen, während ein anderer in Unsicherheit und Angst gefangen ist und daher manchen Aufgaben nicht gewachsen scheint, schnell aus dem Gleichgewicht kommt, was oft an psychische und/oder körperliche Auswirkungen gekoppelt ist.
Selbstwirksamkeit entsteht nicht automatisch und ist auch kein genetischer Faktor, den man hat oder nicht, sondern eine Fähigkeit, die wir entwickeln, um unser Leben gut gestalten und uns wirksam erleben zu können. Je öfter wir als Kinder die Möglichkeit zu solchen Selbstwirksamkeitserfahrungen hatten, desto eher wird es uns im Erwachsenenleben gelingen, uns in dieser Stärke zu erleben und den Glauben in uns selbst gut zu verankern. Umso öfter erleben wir dann auch sogenannte Selbstwirksamkeitserwartungen, also das Vertrauen in die eigene Handlungskompetenz selbst in extremen Situationen und umso öfter bemerken wir, wie innere positive Haltungen unser Tun beeinflussen. Der Glaube in die eigene Wirksamkeit ist also ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für unser Handeln. Was kann realistisch gelingen und was sollte man nochmals überdenken? Selbstwirksamkeitserwartungen haben nichts mit Selbstüberschätzung zu tun, sondern mit realistischen Herangehensweisen an Aufgaben, und bringen mehr Stabilität sowie zugleich Beweglichkeit in Krisensituationen.
Rein in den Drive
In diesem Zusammenhang finde ich persönlich die Geschichte von Frodo Beutlin in Tolkiens Trilogie „Der Herr der Ringe“ eine gelungene Metapher für Selbstwirksamkeit. Frodo Beutlin ist ein kleiner Hobbit, ein sogenannter Halbling, der im schönen Auenland lebt. Er ist nicht unbedingt ein Superheld mit Superkräften, sondern eher das Gegenteil davon. Klein, unbedarft, ein Halbling eben – die Hälfte von etwas „Größerem“, „Besserem“? Aber Frodo ist nicht ängstlich oder demotiviert, sondern mutig und überzeugt, seiner Aufgabe – den Ring in den Feuern des Schicksalberges von Mordor zu zerstören – gewachsen zu sein. Er begibt sich auf eine Heldenreise, die ihm Vieles abverlangt.
Warum schafft er das alles? Warum verliert er nicht den Glauben an sich? Es sind zum einen seine Gefährten. Sie stützen, helfen, bestärken, geben Sicherheit, wenn er nicht mehr kann. Besonders sein bester Freund Sam ermutigt ihn, nicht aufzugeben. Frodo hat auch Vorbilder. Zudem wächst er an seinen teils sehr leidvollen und angsteinflößenden Erfahrungen über sich hinaus. Man würde heute sagen: Er wird resilienter – widerstandsfähiger.
Bezogen auf die Wirklichkeit heißt das: sich auf den Weg machen, in Bewegung kommen, aus der Starre in den Drive. Und dies ist zu jeder Zeit und in jedem Alter möglich. Das Besondere ist: Wir sind immer zur Veränderung fähig, wenn wir es wirklich wollen und gewisse Grundbedingungen gegeben sind. Und so wie in Frodos Geschichte benötigt man dazu Menschen, die einem wohlgesonnen sind, die unterstützen, fördern, Vertrauen schenken, Sicherheit geben und an einen glauben. Der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge. Das Vertrauen in sich selbst und die eigene Stärke ist ein ganz besonderer Schatz, den wir heben und hüten sollten. Der Switch von der Lebensreise zur eigenen Heldenreise ist oft nur ein „kleiner“, aber ein entscheidender Schritt, der neue Wirkungsfelder öffnet. Setzen Sie den ersten Schritt!
Nähere Infos: www.bemindful.at
Selbstwirksamkeit lernen
- Durch positive Vorbilder (Vorgesetzte, Freund*innen, Idole,…) Vertrauen in sich selbst gewinnen.
- Sich selbst und die eigenen Emotionen kennen lernen, mit sich selbst einen guten Kontakt pflegen (und sich nicht abwerten, zum Beispiel durch Sätze wie „Das schaff ich sowieso nie!“). Hierfür eignen sich hervorragend Achtsamkeitsmeditationen (z.B. von Jon Kabat-Zinn). Langsam beginnen, aber dranbleiben!
- Fremd und Selbstbilder einholen, persönliche SWOT-Analysen machen und so die differenzierten Farbtöne in den eigenen Handlungen und Möglichkeiten erkennen. Bei Unsicherheit können außenstehende Personen regulierend und stärkend wirken (z.B. im Coaching, in der Persönlichkeitsentwicklung, in der Therapie).
- Von der „Kraftkammer“ (wie im Artikel von B. Jany und F. Auinger in diesem Heft beschrieben) in die eigene Schatzkammer kommen. Denn Selbstwirksamkeit bedeutet auch ein gutes Gefühl von Unabhängigkeit und Autonomie.
- In Bewegung kommen – und zwar physisch (z.B. durch Klettern, Wandern, Gartenarbeit, Tandemflug) sowie in Bezug auf die innere Haltung. Auch hilfreich: Sich als Ausgleich mit komplett anderen Themen beschäftigen (ehrenamtliche Tätigkeiten, die persönlichen Memoiren verfassen, Hundetrainer*in werden, …) und so die eigenen Grenzen bewusst überwinden!
- Die eigenen Erfolge feiern und auf sich selbst stolz sein, wenn etwas gelungen ist. Wir neigen leider dazu, die Erfolge der anderen zu bewundern und die eigenen herabzuwürdigen. Dabei sind es gerade die kleinen Erfolge, die uns zu Neuem anspornen und unser Potenzial zur Entfaltung bringen.
- Spaß und Humor ins Leben bringen. Lachen – und sei es nur ein Lächeln – bedeutet für unser Gehirn „Es geht uns gut“. Endorphine werden ausgeschüttet und eine Entlastungsreaktion findet statt. Nicht zuletzt wirkt es sich auch positiv auf die Umgebung aus. Denn Lachen ist ansteckend!