Wenn lausiges Leadership für die falsche Bewegung sorgt
Organisationen brauchen Bewegung. Um handlungsfähig zu sein, um voranzukommen, um sich weiterzuentwickeln. Eine besondere Bedeutung in diesem Zusammenhang haben die Führungskräfte des Unternehmens. Ihnen obliegt es, dafür zu sorgen, dass die Bewegung in die richtige Richtung steuert und dass sie in frischer, anregender Form am Leben gehalten wird. Ganz schön viel an Verantwortung. Aber dafür haben wir ja unsere Führungskräfte. Nur blöd, wenn diese nicht in der gewünschten Weise performen…
Führungskräfte können dafür sorgen, dass sich Dinge in bestimmte Richtungen entwickeln. Je mächtiger sie sind, umso mehr. Sie tragen eine entsprechend hohe Verantwortung für ihr Denken, Auftreten, Handeln und Nicht-Handeln. Naturgemäß sind selbst den Mächtigsten unter ihnen Grenzen gesetzt – auch wenn sie das vielleicht gar nicht gerne hören.
Wenn man Glück hat, hat man es mit solchen zu tun, die sich zumindest anstrengen, die ihr Bestes geben, um einen wirklich guten Job zu machen, und damit ihrer besonderen Verantwortung für das große Ganze tatsächlich gerecht werden wollen. Im Optimalfall sind sie auch noch mit Kompetenz, Scharfsinn, Reflektiertheit und vor allem mit menschlicher Integrität gesegnet. Wie gesagt: wenn man Glück hat.
Denn es geht auch anders: Eine übermotivierte Projektleitung, die in ihrer „Hurra, vorwärts!“-Mentalität allen anderen um Meilen voraus ist und längst den Boden unter den Füßen verloren hat. Ein New Remote Leader, der alles ignoriert, was nicht digitalisiert ist, und Menschen nur in gepixelter Form an sich heranlässt. ChangeManager*innen, die nur der Veränderung willen auf Veränderung setzen. Hauptsache, es tut sich etwas, und sie entkommen der Ödnis der Routine. Ein Tollpatsch, der die besondere Gabe hat, stets zum falschen Zeitpunkt an der falschen Stelle zu sein, und es so immer wieder schafft, exakt den falschen Bewegungsimpuls in die Organisation zu bringen. Oder ganz anders die perfektionistischen Controllettis, die wie alles überwachende Aufsichtsorgane agieren: Nichts darf außerhalb des eng umrissenen Norm-Korridors geschehen. Ihre Mitarbeiter*innen haben stets sämtliche Gesetze und Gebote striktest einzuhalten. Deren Bewegung wird somit zu einem permanenten Mäandern zwischen Einbahnen, Sackgassen und Verbotstafeln – viel Vergnügen!
Trotzdem überleben
Sie sehen schon: Man muss gar nicht den Teufel in Form eines brutalen, menschenverachtend-manipulativen Tyrannen an die Wand malen. Tyrann*innen, die ihr Umfeld in Lähmung versetzen, respektive ihm jenen Rhythmus aufnötigen, der ihnen opportun ist. Es gibt auch etliche andere – vermeintlich harmlosere – Spielarten lausigen Leaderships. Egal ob man es mit Führungskräften zu tun hat, die sich ungeschickt verhalten, die inkompetent oder schlichtweg unverfroren sind: erstaunlich, dass deren Unternehmen dennoch nicht zum Stillstand kommen, sondern es trotz aller Sandkörner im Getriebe schaffen, erfolgreich zu sein oder zumindest zu überleben. Offensichtlich greifen konstruktive Kräfte der Selbsterhaltung, des produktiven Widerstands, des Sich-nicht-unterkriegen-Lassens oder auch einfach der Schadensbegrenzung, Harmonisierung und Kompensation.
Konstruktiv gestrickten Kolleg*innen im Führungskreis gelingt es immer wieder, den lausigen Leadern ihre Grenzen aufzuzeigen beziehungsweise zumindest den von ihnen verursachten Schaden abzufedern. Natürlich bedarf es dazu mitunter teils äußerst intensiver Anstrengung, so easy-cheesy-nebenbei lässt sich ein*e besonders „talentierte*r“ Führungsversager*in nicht einbremsen. Ebenso springen Mitarbeiter*innen mit ausgeprägtem Verantwortungsgefühl für ihre Vorgesetzten in die Bresche und versuchen, deren Versagen durch überdurchschnittlich hohen eigenen Einsatz wettzumachen.
So werden – vielleicht gerade durch das arge Agieren fragwürdiger Führungskräfte!? – wertvolle Qualitäten in den Organisationen aktiviert, und das destruktive Machtpotenzial mieser Manager*innen wird auf ein gerade noch vertretbares Ausmaß begrenzt.
Zum Buch
Wollen Sie (weitere) lausige Leader näher kennenlernen? Jene, die die Kunst des miesen Managens meisterhaft beherrschen? Na dann! Zu wahren Höchstleistungen schwingen sich etwa auf:
- Der selbstgefällige Tim Wanka auf seiner täglichen Fishing-for-Compliments-Tour
- Die schwankende Heidrun Halstenberg, die gerne mal kräftig auf den Putz hauen würde
- Der gefürchtete Kostic, der seine wöchentliche Produktionsbesprechung dazu nutzt, seine Mitarbeiter*innen in Angst und Schrecken zu versetzen
- Die sich aufopfernde Karin, die an ihre persönlichen Belastungsgrenzen und mitunter deutlich darüber hinaus geht
- Der offensichtlich überforderte Torsten Werner, dem es gelingt, sein komplettes Umfeld zu brüskieren
- Und – nicht zu vergessen – Manfred Wurmgrabner, der nur so tut als ob, weil er gerne einen sorgenfreien Arbeitstag hätte
Die zahllosen Anekdoten und Geschichten im Buch lassen uns ungläubig den Kopf schütteln, still und verstohlen schmunzeln oder mitunter schmerzhaft aufjaulen. Staunen Sie selbst, wie viele verschiedene Schattierungen und Spielarten die Arbeitswelt dazu zu bieten hat!
Nähere Informationen: echtjetztchef.org
376 Seiten, 2021 erschienen bei
tredition.de, Euro 34,90