Arbeit als Resonanzraum und Inkubator neu gestalten
Was kann uns diese Pandemie schenken? Das Besinnen auf die (menschliche) Würde? Be-SINN-en auf das, was uns Menschen ausmachen (könnte)? Haben wir uns im Zuge der großen aufgeklärten, industriellen, digitalen Entwicklungen in unserer Suche nach Würde in der Würde-Losigkeit verloren? Und welche Rolle können und sollen dabei Organisationen, Unternehmen, der Raum der Arbeit spielen?
Wenn es wirklich eine Renaissance ist, in der wir uns befinden, stellen sich uns zahlreiche Fragen, auch danach, was es denn ist, das wiedergeboren und wiederentdeckt werden soll. Begeben wir uns also auf die Suche nach möglichen Antworten.
Vor Corona
Das tägliche Hamsterrad. Wir werden immer schneller, bringen immer mehr weiter, schütten uns wechselseitig mit „Tasks“ zu. Wir können eigentlich gar nicht raus aus der Dynamik, im Gegenteil. Wir stabilisieren uns scheinbar gerade dadurch, dass wir immer mehr an Geschwindigkeit aufnehmen (müssen).
Wo bleibt dabei unser Empfinden, Spüren, Selbst- und Fremderleben? Wo funktionieren wir eigentlich nur mehr, werden von Routinen, Zwängen und Algorithmen getrieben? Was entscheiden wir noch bewusst, mit einer angemessenen Achtsamkeit?
In der Pandemie
Shutdown. Radikale Bremsmanöver. Stillstand. Danach ein Herantasten, das Suchen einer neuen Normalität, die wir noch nicht kennen. Ein langsames, zähes und frustrierendes Ringen um Wege aus einer noch nie erlebten Krisensituation. Ermüdung, Erschöpfung, Polemisierung, Spaltungen, Verunsicherungen. Aber es stellen sich auch Fragen nach dem Sinn, nach dem Wert unseres bisherigen Handelns. Fragen für die Zeit danach.
Nach Corona – die Krönung?
Vielleicht hat sich der Mensch im Zuge von Industrialisierung und Moderne nicht nur individualisiert. Vielleicht haben wir mit unserem Konsum, den Errungenschaften des wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritts den Platz befüllt, der einmal den Göttern vorbehalten war. Im Versuch, uns selbst genug zu sein, im Hamsterrad des Schneller-Höher-Weiter, entdecken wir zunehmend eine Leere, die mit einer Flucht in Aktivitäten, in die Sucht, sich spüren zu wollen, verbunden sein kann. Aber den frei gewordenen Sinn-Raum können wir damit nicht füllen. Verflüchtigt. Kaum Resonanz zu sich selbst, zu anderen, zur Umwelt. Emotionale Fähigkeiten verkümmern, Radikalisierungen, um sich zu emotionalisieren, nehmen zu. Kann diese aktuell erlebte Krise der Distanzierung uns auch ein neues Bewusstsein in Bezug auf Verbundenheit, Solidarität, Empathie schenken? Bekommt der Mensch in seiner Würde eine neue Achtsamkeit?
Würde im beruflichen Zusammenwirken
Wenn wir hier von Würde sprechen, dann ist das eine Würde der Selbstbestimmung, der frei gewählten ethischen Verantwortlichkeit. Es geht da bei auch um das Streben und Ringen um eine gemeinsame Sprachfähigkeit als Basis des Verstehens und Aufeinander-Einlassen-Könnens. Es geht dabei nicht um die amtshafte Würde der „Überlegenheit“, im Gegenteil. Im Fokus ist die Begegnung auf gleicher Augenhöhe, das kollektive Erarbeiten einer Basis für Selbst- und kollektive Wirksamkeit und Entwicklung. Das wären Fähigkeiten, die uns als Individuum und als Gesellschaft in unserer Reife wachsen lassen würden. Eine wesentliche Voraussetzung für unsere künftige Existenzfähigkeit, dafür, dass wir neue, relevante Fähigkeiten entwickeln.
Nur, wo sind diese Räume des Austausches, der Auseinandersetzung, in denen genau das passieren kann? Wo – in welchen verbindlichen Rahmen – begegnen wir Menschen uns in dieser Verbundenheit und Qualität, in der Teilhabe, Mitwirkung und Formung der Zukunftsgestaltung passieren kann? Es sind heute und morgen noch mehr die Organisationen, in denen wir tätig sind, deren Leistungen wir in Anspruch nehmen. Wo wir uns mit unseren Fähigkeiten einsetzen und unsere Potenziale entdecken und ausschöpfen, unsere Haltungen und Persönlichkeit würdevoll entfalten und zukunftsfähige Zugänge entwickeln können. In diesen Kollaborationsstätten bekommen wir Feedback zu unserem Handeln, können wir in Resonanz gehen, mit anderen in Schwingung kommen und so auch zur „Stimmgabel“ für das gemeinsame Tun werden.
Organisationen sind heute und morgen umso mehr der natürliche Resonanzraum für die zukunftsfähige Entwicklung und Verankerung von Individuum und Gesellschaft. Gerade weil durch die zunehmende Individualisierung Solidaritätswerte und traditionelle Orientierungsrahmen verloren gegangen sind, wächst die Bedeutung der Institutionen, in denen weiterhin Sozialisierung und Ritualisierung stattfindet. In diesen Räumen der Leistungserbringung passiert Vergemeinschaftung, das Entwickeln und Trainieren sozialer Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das Stärken der individuellen und kollektiven Selbstwirksamkeit. Räume, in denen Kompetenzen entdeckt und (weiter)entwickelt werden, die dem Zusammenarbeiten, Zusammenwirken und Zusammenleben eine neue, nachhaltige Qualität geben können.
Gerade jetzt gilt es dieses Experimentierfeld für ein neues Da- und Selbstsein, ein neues, anderes globales Handlungsverständnis bewusst zu nutzen und auch das Netzwerk für die Lösung großer regionaler und globaler Herausforderungen zu stärken und zu fördern. Das zahlt auch in den heute vielfach angesprochenen Purpose ein. In die Frage, welchen Public Value Unternehmen, Vereine, Institutionen leisten und damit ihre existentielle Daseinsberechtigung nachhaltig begründen.
Organisationen können und sollen verstärkt und viel bewusster die Inkubatoren für diese Entwicklungen sein und dadurch gesellschaftlichen Wert schöpfen. Damit das gelingt und nicht nur eine Marketing-Inszenierung wird, damit es wirklich authentisch und – gerade auch in schwierigen Phasen – nachhaltig gültig und wirksam ist, bedarf es einer tiefen Transformation unserer Organisationen hin zu Räumen des würdevollen Umgangs, der wertebewussten, menschenwürdigen und nachhaltigen Unternehmensentwicklung.
Würdevolles Führungshandeln ist ein Handeln, dass dem anderen auf gleicher Augenhöhe begegnet, ihn in seinen Möglichkeiten sieht und stärkt, dem Gemeinsamen den gleichen Rang wie dem Eigenen gibt.
Vielleicht ist es genau diese Sehnsucht, diese Erkenntnis, die uns in den Organisationen auf die Suche nach radikal neuen Zugängen gemacht hat und weiter macht. Weil wir zunehmend erfahren, dass die bisher gültigen Paradigmen zu einer Entwürdigung und Schwächung der Nachhaltigkeit führen.
Der Digitalisierungs- und Automatisierungsschub, den wir in unserer globalisierten Gesellschaft erleben, könnte neue Möglichkeiten der Entfaltung der menschlichen Gestaltungskraft und Kreativität mit sich bringen. Es wird an unserer gemeinschaftlichen Verabredung an unzählig vielen Netzwerkknotenpunkten liegen, ob diese Dynamiken zu einer Renaissance der Würde und mit ihr zu einer entsprechenden ethischen Weiterentwicklung unseres Entscheidens und Handelns führen.
Würde in Organisationen als künftiger Innovations- und Entwicklungsfaktor
Wenn ich auf mein eigenes Handeln und das Erleben in unserer Organisation schaue, wie „würde-voll“ erlebe ich mich / uns?
Partnerschaftlich
Unsere Begegnungen – losgelöst von den Funktionen und Rollen– finden auf Augenhöhe (also menschlich gleichwertig) statt.Gemeinschaftlich
Wir sind bereit, auf einen individuellen Vorteil zu verzichten, wenn dadurch der gemeinsame Mehrwert gestärkt werden kann.Dienstleistend
Führungsaufgaben und -rollen werden nicht als „vorgesetzt“ sondern als partnerschaftlich, dienstleistend, ermöglichend, stärkend, orientierend wahrgenommen.Reflektierend
Verantwortungsträger*innen sind bei uns bereit, das eigene Denken und Handeln wiederkehrend und kompromisslos zu hinterfragen, ob es auch zu menschenwürdigem Handeln anderen und sich selbst gegenüber beiträgt.Achtsam
Fremd- und Selbstabwertungen werden vermieden und falls sie auftreten, wahrgenommen und aktiv bearbeitet.Sinnstiftend
Das eigene Handeln wird wiederkehrend auf seinen Mehrwert/ seine Sinnstiftung für die eigene und gemeinsame ethische Weiterentwicklung in Frage gestellt, nicht genutzte Möglichkeiten werden fokussiert und realisiert.Fördernd
Selbstbestimmtheit, Selbstwirksamkeit und Potenzialentfaltung werden gefördert und durch das Führungshandeln unterstützt.Orientierend
Wir sind bereit, uns mit den eigenen, reflektierten Werten offen mit anderen auseinander zu setzen und damit auch das Umfeld herauszufordern.Lernfähig
Wir haben eine hohe Bereitschaft, Zustände und Entwicklungen kritisch zu hinterfragen, empfundene Irritationen und Fehlentwicklungen anzusprechen und in den Diskurs zu gehen. Mit eigenen Fehleinschätzungen wird offen umgegangen.