Ein Fallbeispiel zur Gewinnung neuer Hoffnungsträger
Alle streben nach Agilität, um mit der Geschwindigkeit und Komplexität des Umfeldes Schritt zu halten. Um Megatrends und Chancen nicht zu verpassen. Um Bedrohungen abzuwenden. Um für die klügsten Köpfe attraktiv zu sein. Um eine gute Zukunft zu haben. Das ist zugleich der perfekte Anlass, um HR-Werkzeuge und -Prozesse kritisch zu evaluieren und kräftig zu entrümpeln. Denn Agilität umfasst auch die Gestaltung der Personalprozesse, die tiefgreifende HR-Arbeit unterstützen und begleiten.
Nach wie vor werden Stellenbeschreibungen bis ins kleinste Detail verfasst, sodass sie nach wenigen Wochen nicht mehr der Realität entsprechen. Neue MitarbeiterInnen werden nahezu ohne Einbindung der betroffenen Teams von den Personalisten rekrutiert. Recruitingprozesse und Stelleninserate so gestaltet, dass sich agile Persönlichkeiten nicht angesprochen fühlen. Personalentscheidungsprozesse häufig intransparent durchgeführt.
Wenn sich eine Organisation zu mehr Beweglichkeit und Flexibilität entschlossen hat, braucht es die entsprechenden Haltungen und Einstellungen der handelnden Menschen, damit die Werkzeuge den gewünschten Erfolg haben. Instrumente müssen einfach sein und konsequent dem Kunden bzw. MitarbeiterInnen dienen. Alles, was als lästige Pflicht empfunden wird und in der Rundablage landet, muss reduziert oder gleich entfernt werden. Aufgabenfelder, soweit das Auge reicht – doch wo sollen wir beginnen?
Hier konzentrieren wir uns auf die Phase vor der Einstellung neuer MitarbeiterInnen, also auf Bedarfserhebung, Funktionsprofil und Ausschreibung. Am konkreten Beispiel einer von uns begleiteten Personalsuche im Bereich Controlling für eine Organisation, die einzelne Elemente der Agilität bereits erfolgreich integriert hat und neue Positionen gezielt mit „agilen“ Menschen besetzt.
Bedarfserhebung und Funktionsprofil
Hier ist unbedingt das gesamte Team gefragt: Je intensiver und offener die Auseinandersetzung mit den Einschätzungen und Erwartungen der einzelnen Teammitglieder erfolgt, umso mehr entsteht ein gemeinsames Bild und umso zielgerichteter können der Auswahlprozess und die Integration danach erfolgen. Wozu wird die neue Person gebraucht, was ist der Zweck der Funktion? Das schafft eine klare Orientierung. Von diesem Ziel leiten sich die Kernaufgaben und Verantwortlichkeiten ab – möglichst kompakt und aussagekräftig. Die Verantwortlichkeiten wiederum schaffen den Rahmen, in dem sich diese Funktion bewegen kann. Mit den Systemrollen
sind zusätzliche Rollen gemeint, die eingenommen werden. Dies bewirkt eine hohe Flexibilität im Einsatz und bietet MitarbeiterInnen die Chance, nach ihren Talenten und Fähigkeiten eingesetzt zu werden.
Der gemeinsam mit dem Kunden durchgeführte Workshop zur Erstellung des Funktionsprofils „Controlling“ brachte folgendes Ergebnis:

Gibt es ein Mindset agiler Teamworker?
Welche Kompetenzen – klarerweise je nach Unternehmen und Rolle unterschiedlich ausgeprägt – sorgen dafür, im agiler werdenden Umfeld wirksam zu sein und bestehen zu können? Die Kompetenzmatrix bietet einen Überblick über agile Verhaltensbeschreibungen. Sie unterstützt in der Analyse der Fähigkeiten der MitarbeiterInnen jetzt und gibt Orientierung, wohin die Reise gehen kann.
Unverzichtbar für Agilität ist eine lebendige Kollaboration im Team, was ein funktionierendes Miteinander erfordert. Der Fokus bei der Auswahl neuer Teammitglieder muss deshalb ganz deutlich darauf liegen herauszufinden, ob Menschen an das Team andocken können und hineinpassen – oder eben nicht. Hier lohnt es sich, Begegnungen und Probesituationen zu initiieren und keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen.

Ausschreibung
Versetzen Sie sich in die Lage der von Ihnen herbeigesehnten Person und sprechen Sie diese möglichst direkt an. Mit gezielten Formulierungen machen Sie die Unternehmens- und Teamkultur spürbar und setzen sich von anderen Inseraten ab. Es lohnt sich auch über die Suchkanäle nachzudenken. Nutzen Sie Kontakte und die Kontakte der Kontakte. „Virale Ausbreitung“ Ihres Angebots über digitale Wege bringt Reichweite, zusätzlich zu den klassischen Jobportalen.
Welches Aussehen hatte nun das Inserat in unserem konkreten Fall?

Es meldeten sich tatsächlich überdurchschnittlich viele „untypische“ ControllerInnen mit agilem Mindset und auch InteressentInnen aus anderen Fachbereichen, die auf das für sie attraktive Umfeld aufmerksam wurden. In den sehr offen und auf Augenhöhe geführten Erstgesprächen wurde deutlich, dass ein derart agiles Umfeld auch zu Unsicherheiten und Ängsten führt. Manche InteressentInnen zogen daher ihr Interesse bereits in diesem Gespräch zurück.
Das für den Auswahlprozess gewählte Teammitglied führte die Zweitgespräche gemeinsam mit der externen Beraterin durch und traf eine Vorauswahl von zwei Personen, die jeweils zu einem betreuten Halbtag ins Unternehmen eingeladen wurden. Die Letztentscheidung traf das Team anschließend gemeinsam.
Die gute Nachricht: Jene junge Frau mit einigen ungewöhnlichen Details im Lebenslauf, deren Interesse und Leuchten in den Augen im Laufe der Kommunikation immer größer wurde, wurde vom gesamten Team als Wunschkollegin wahrgenommen und ist bereits dabei sich einzuarbeiten.
Fazit: Personalprozesse agil zu gestalten zahlt sich aus! Die Personalarbeit geht weg von einem Ein-Personen-Stück hin zu einem gemeinsamen Werk aller Beteiligten – Teams, Personalisten, Führungskräfte. Die Einbindung verschiedener Akteure in den einzelnen Prozessen schafft eine gestärkte Diversität, Flexibilität und eine gemeinsame Verantwortung für die Gestaltung von Entwicklung in der Organisation. Es sind nicht nur die Führungskräfte und Personalisten gefragt, sondern auch oder vor allem die Teams – und das bewirkt eine Verteilung der Verantwortung. Probieren Sie es doch einfach mal aus: Schritt für Schritt zu einer agileren und flexibleren Personalarbeit, ohne gleich die gesamte Organisation auf den Kopf zu stellen.