in betrieblichen Kontexten und ihre Vor- und Nachteile
Die betriebliche Weiterbildung war schon immer auf ideale Lernbedingungen bedacht. In puncto Innovationsbereitschaft und Mut in der Erprobung neuer Lernformen nimmt sie, gerade in den letzten Jahren, eine Vorreiterrolle ein. Welche neuen Wege sind das und inwiefern unterscheiden sie sich von altbekannten Lernformen bzw. Lernformaten?
Besonders in größeren Unternehmen ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, dass, abhängig von den Lehrinhalten, der Veranstaltungsort und die Dauer einer Veranstaltung sehr bewusst gewählt werden. Geht es um die Vermittlung reiner Fachinhalte, werden diese häufig punktuell in Schulungsräumen des Unternehmens oder direkt vor Ort gesetzt. Verhaltens- und Persönlichkeitsthemen oder Strategie- und Entwicklungsthemen werden meist abseits vom betrieblichen Alltagsgeschehen in Seminarhäusern durchgeführt, in einer Wohlfühlatmosphäre mit Teppichboden, Kreisbestuhlung und exzellenter kulinarischer Versorgung. Diese Form von Bildungsmaßnahmen mit entsprechenden Rahmenbedingungen erfreut sich in betrieblichen Kontexten bereits seit den frühen 80er-Jahren zunehmender Beliebtheit und erlebte ihre Blüte kurz nach der Jahrtausendwende. Veranstaltungen in dieser Form dauerten in der Regel zwei Tage und mehr, heute, mit fallender Tendenz, liegt die Dauer bei ein bis zwei Tagen. Die Gruppengrößen für externe Bildungsveranstaltungen dieser Art waren mit 8 bis 15 Personen immer schon ideal gewählt.
Ideale Rahmenbedingungen zum Lernen mit förderlichen Nebeneffekten
Berücksichtigt man die aktuellen Forschungsergebnisse aus Pädagogik, Sozialpsychologie und Neurowissenschaft, so bestätigen diese, dass hier die Rahmenbedingungen gute Voraussetzungen bieten, um vor allem vertiefende Lernprozesse in Gang zu setzen und die Lerneffekte hochzuhalten. Folgende Kriterien werden dabei als besonders förderlich erachtet:
- kleine überschaubare Gruppen
- ungestörte Auseinandersetzungsmöglichkeit
- fernab von meist emotional besetzten Alltagssituationen
- in einem behaglichen Umfeld
- Blockveranstaltungen mit Nächtigung, wodurch auch außerhalb der regulären Seminarzeiten, z.B. am Abend, zwischenmenschliche Beziehungen gestärkt und somit das Verständnis füreinander und die Vernetzung untereinander gefördert werden
Jede Lernform hat ihre Qualitäten und jede Zeit hat ihre Lernformen. Die Anforderungen an die Menschen in den betrieblichen Kontexten haben sich seit den 80er-Jahren beträchtlich verändert. Früher genügte es, sich Wissen anzueignen und es möglichst gut zu verinnerlichen, um dieses Wissen dann ein ganzes Berufsleben lang verfügbar zu haben, sowie es über Jahre nutzbringend einsetzen zu können. Heute würde man mit einem solchen Zugang oftmals wohl keine fünf Jahre im betrieblichen Alltagsgeschehen „überleben“ können.
Das klassische Training
Der Ansatz, Menschen bestimmte Wissensinhalte „anzutrainieren“, folgt dem Bild, dass es Wissende und Unwissende gibt und, dass Wissensvermittlung eine Einbahnstraße ist. Das Training in seiner klassischen Form folgt diesem Prinzip. Nur der/die TrainerIn weiß, was die Lernenden benötigen und wie die richtigen Lösungsansätze auszusehen haben. Zwischen TrainerIn und Lernenden besteht ein starkes Wertigkeitsgefälle. Der/die Lernende muss sich dem/der Lehrenden unterordnen, will er/sie keinen Konflikt mit dem/der Lehrenden und in der Gruppe kein Abrutschen in die Außenseiterposition riskieren.
Wissensinhalte werden tendenziell eher frontal vermittelt und Fertigkeiten vor Ort möglichst regelmäßig und häufig eingeübt. Es gibt klare Vorgaben und Anweisungen, denen in der vorgegebenen Abfolge nachzukommen ist. Die Nachhaltigkeit ist bei einer lediglich auf zwei Tage anberaumten Trainingssequenz ohne begleitende Langzeitmaßnahmen tendenziell eher gering. Dies trifft auch dann zu, wenn die punktuelle Begeisterung vor Ort stark ausgeprägt war.
Zeitgemäße Ansätze und Lernformen
Die Herausforderungen haben sich geändert, die Welt ist komplexer und dynamischer geworden, es reicht nicht mehr aus, sich einmal im Leben Wissen anzueignen und damit sein Auskommen zu finden. Laufende Weiterbildung – vor allem auch in Eigeninitiative – ist gefragt, will man im Fluss betrieblicher, aber auch gesellschaftlicher Entwicklungen einigermaßen mithalten können. Längst ist die Aneignung von Wissen zu einem gemeinsamen Prozess zwischen Lehrenden und Lernenden geworden, bei dem die aktive Wissensgenerierung durch die Lernenden einen ebenso wichtigen Anteil hat wie die Impulse, die der/die Lehrende geben kann. Lehrende mögen über einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung und einen guten Überblick verfügen, aber allwissend sind sie nicht, sie sind auch auf das generierte Wissen der Lernenden angewiesen.
Viele Lehrende werden gefordert sein, ihre Haltungen gegenüber den Lernenden grundsätzlich zu überdenken, ihre Seminar- und Workshop-Designs wesentlich offener und flexibler zu gestalten und ihre Moderationskompetenzen auszubauen. Die Lernsettings müssen so gestaltet sein, dass sie ein offenes und angstfreies individuelles Lernen ermöglichen und den Lernenden jenen Spielraum bieten, dass sie sich aktiv mit ihrem Vorwissen und ihren Vorerfahrungen einbringen können.
Im Folgenden einige zeitgemäße Lernformen im Vergleich:
Seminare mit Workshop-Charakter
Seminare haben zwar oftmals nach wie vor den bereits beschriebenen klassischen Trainingscharakter mit starren Konzepten und Abläufen, die wiederkehrend ohne situationsbezogene Anpassung durchgeführt werden. Immer häufiger jedoch gestalten viele SeminarleiterInnen ihre Seminare so, dass es zwar ein klares Ablaufdesign gibt, man sich allerdings im Seminarverlauf doch stark an den Anliegen der TeilnehmerInnen orientiert und diese aktiv in den Lern- und Entwicklungsprozess einbindet. In diesen Fällen hat das Seminar dann bereits starken Workshop-Charakter.
Impulsreferat mit anschließendem Workshop
Im Gegensatz zu Seminaren haben Workshops in der Regel ein klares Grundthema oder einen Grundauftrag mit einer klaren Zielsetzung. Der/die BegleiterIn nimmt eine primär moderierende Rolle ein und sorgt für einen tragfähigen Rahmen, einen roten Faden und förderliche Rahmenbedingungen. Zunehmend häufiger kommt es zu einer Kombination aus Impulsreferat und anschließendem Workshop. Das von FachexpertInnen vorgetragene Impulsreferat dient zur Sensibilisierung und Fokussierung, und im Anschluss werden die eingebrachten Inhalte in Kleingruppen diskutiert, auf ihre Praxistauglichkeit im Unternehmensalltag überprüft und daraus konkrete Handlungsansätze abgeleitet. Der Impuls ist in der Regel so gestaltet, dass er zum Nachdenken – über gewohnte Denkgrenzen hinaus – einlädt und neue Perspektiven eröffnet. Der Vorteil in dieser Lernform liegt darin, dass diese Form der Veranstaltung auch in Großgruppen durchgeführt werden kann und mit einem halben Tag bis einem Tag vor allem relativ geringe Zeitressourcen in Anspruch nimmt.
Einzelcoaching und Gruppencoaching
Der Coach begegnet dem/der Lernenden auf gleicher Augenhöhe. Seinen Wissensvorsprung nutzt er, um den/die Lernende/n auf seinem/ihrem Entwicklungsweg bestmöglich zu unterstützen. Der Coach ist Begleiter, der (je nach Schule) nur sehr bedingt Lösungsvorschläge und inhaltliche Impulse einbringt. Er/sie unterstützt die Lernenden dabei, sich ihrer Poten-ziale bewusst zu werden, diese zu heben und ihre Lösungswege aktiv und eigenverantwortlich zu gehen. Dieses Prinzip gilt auch für das Gruppencoaching, nur mit dem Unterschied, dass hier das Potenzial und die Erfahrungen der gesamten Gruppe im Entwicklungsprozess genutzt werden.
Erfahrungsaustausch und Intervision
Das Besondere an dieser Lernform ist, dass es keine definierte Begleitung gibt, die via Definition die Moderationsrolle übernimmt. Die Gruppe steuert sich quasi selbst. Die TeilnehmerInnen bringen im Regelfall zu bestimmten Fragestellungen oder Fallsituationen ihr Wissen und ihre Erfahrungen ein und die Gruppenmitglieder lernen auf diese Weise voneinander. Intervisionscharakter hat in der Regel auch der klassische Erfahrungsaustausch oder die kollegiale Fallarbeit. Elemente der Intervision finden sich – allerdings in begleiteter Form – beim Gruppen-Coaching wieder.
Offene versus strukturierte Lernformen
Die Grafik ordnet die Lernformen nach ihrem Offenheitsgrad: Je offener, umso stärker folgen die ReferentInnen dem dialogischen Prinzip und beziehen die Lernenden als gleichwertige Partner in den Lernprozess mit ein. In der Tendenz zu bestimmten Lernformen zeigt sich wohl auch die Grundhaltung der Lehrenden gegenüber den Lernenden und die Vorstellung davon, wie Lernprozesse gestaltet sein müssen, damit sie wirkungsvoll sind.
Die Tabelle stellt typische Verhaltensweisen und Rahmenbedingungen, die einer „stark
strukturierten“ bzw. einer „sehr offenen“ Lernform zuzurechnen sind, in überzeichneter Form gegenüber. In diesen Beschreibungen wird nochmals gut sichtbar, was die jeweiligen Lernformen leisten bzw. nicht leisten können.